Schulordnungen

Im Jahre 1885 veröffentlichte Johannes Müller, "Seminaroberlehrer zu Plauen im Vogtland" eine Schrift mit dem Titel "Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schulverträge in deutscher und niederländischer Sprache".  Er betont, es gebe nur wenige Quellen, aus denen man "ein  richtiges und anschauliches Bild von dem Zustande der Schulen, der Stellung der Schullehrer etc. im Mittelalter" gewinnen könne. Erstaunlich ist, dass sich darunter gleich zwei Bamberger Quellen befinden, die hier wiedergegeben werden sollen:

  

Wie es die teutschen schulmeister halten sollen. (Ordnung für die deutschen Schulmeister und Schulfrauen zu Bamberg vom 25. April 1491)

   Ordnung für die Domchorschüler zu Bamberg vom 14. Oktober 1491

Wie es die teutschen schulmeister halten sollen.   

Ordnung für die deutschen Schulmeister und Schulfrauen zu Bamberg vom 25. April 1491

Vorbemerkung: Die vorliegende Schulordnung gibt nur wenige Verhaltensvorschläge für die Schüler. Sie wurde vielmehr vom Rat der Stadt Bamberg erlassen, um den Missständen im Lehrkörper zu begegnen. Hauptaufgabe des Lehrers ist es, in lesen, schreiben, zucht vnd ersamkeit zu unterrichten. Während des Unterrichts müsse sich der Lehrer bei seinen Schülern aufhalten und dürfe sie nicht seiner Frau überlassen, es sei denn, sie were dann auch gelert. Der Umgang mit den Schüler habe mit züchtigen vnterweißlichen wortten und geperden zu erfolgen, nicht in schrautzen (schnauzen?), fluchen oder schelten. Der Lohn des Lehrers beträgt im Vierteljahr je Schüler ein Pfund Bamberger Münze und an Weihnachten einen Austreibepfennig. Da mit der Zahl der Schüler der Lohn stieg, betrieben die Lehrer offensichtlich Abwerbekampagnen, die der Rat verbot. Offensichtlich sollten die Lehrer auch die Geldausgaben der Schüler überwachen, so dass sie kein gelt wenig oder vil umb leckuchen ... oder genesch verschwendeten. Der Brauch, dass die Schüler ihren Lehrer mit Bade- oder Spielgeld versorgten, wurde ebenso untersagt wie das Schenken von Lebensmitteln - mit Ausnahme der creutzwochen (Woche um das Fest der Kreuzerhöhung am 14. September, Bitttage nach St. Markus am 25. April oder Karwoche). Die Not der Lehrer lässt sich auch aus dem Verbot erkennen, die Schulkinder zum Holzsammeln oder zum Auflesen wertvoller Abfälle (z. B. Eisen) auszuschicken.

Der erber vnd veste Conrad Groß, schultheis vnd die ersamen, weisen burgmeistere vnd rate der stat Bamberg, befinden in betrachtung der teutschen schulmeister vnd schulfrawen in Bamberg leben, wesen vnd handlung, das do durch der leute kinder, die in lesen vnd schreiben zucht vnd ersamkeit zu leren befolhen sindt, nicht mit notdurftigen fleis vnd aufsehen dozu gezogen vnd vnterweist werden, als pillichen geschehen solt, demselben mit ordenung zu begegnen, dadurch die kinder in zucht vnd lesens vnd schreibens lernung baß dann biß anher geschehen sein mag befunden, vnd der lon so den schulmeistern vnd schulfrawen dorumb gegeben wirt, wol angelegt vnd erberlich verdint gemerkt werden, geben  sie in dise nachgeschribene satzung vnd ordenung, sich dodurch in irem stant vnd wesen ersamlich zu halten vnd mit getrewen fleis den kinden nutzlichen vnd erberlichen vorzusteen, erinnerung vnd manung haben sollen. Wann welcher oder welche dor innen ubertreten,  werden darumb swerlich vnd hertiglich gepußt vnd gestraft nach erkentnus des schultheisen vnd rate mit vorbeheltnus, in vnd iren nachkumen sulche ordenung zu leutern, zu pessern, zu meren, zu mynnern, gar oder eynsteils wider abzuthun wie sie füran nutz vnd gute zu sein erfinden.
Ein iglicher teutscher schulmeister und schulfrawe sullen mit einander eelichen sitzen ersamlichs vnd erberlichs handels, wandels vnd wesens herkumen sein, vnd sich dergleichen in sulchem standt halten, vnd nicht anders befunden werden, bey straffen vnd pussen wie von schultheis vnd rate erkannt wird.
Ein iglicher schulmeister sol bey seinen kinden die im befolhen werden, selbs sein, sie getrewlichen vnterweisen vnd leren vnd keins anderen handels dieweil die kinde in der schule siindt, pflegen noch fürnemen doch vngeuerlich, nicht sein hausfrawen mit den kinden vmbgehen lassen, sie were dann auch gelert.
auch nicht ein kinde das ander zu uberhören oder zu meistern bestellen und verhengen. sunder ir aller selbs mit gantzem fleis wartten, in fürgeben, sie überlesen und verhörn, nicht grausamlich mit in schrautzen fluchen oder schelten. sunder mit züchtigen vnterweißlichen wortten vnd geperden durch die sie an zucht vnd lernung gepessert werden, mit in vmbgehen bei puß vnd straff. so in schultheis burgermeister vnd rate dagegen fürzunemen vorbehalten.
Der lone von einem schulkinde ist ein vieteil jars ein pfundt Bamberger münz für alle dingk vnd zu weihennachten ein außtreibe pfennig. Also auch zu ostern oder fur denselben zu ostern mag man dem schulmeister eyer geben sovil dann eins ere ist, nicht mer ist man einem schulmeister schuldig. Wil im aber yemant auß freyem willen mer ere beweisen, das mag man oder offenberlich thun.
Es sol kein schulmeister durch sich, seine hausfrawen oder andere einem anderen von  schulmeister seine kinder abspennen, ablocken oder abzihen noch sich bei der kinder eldtern oder freunden mynner von inn zunemen erbieten, dodurch oder durch andere nachrede einem schulmeister verletzung seins glympffs, absetzung seiner kinder oder neidtlicher schade zugewant werden möcht, bey swerer puß vnd straff, so in schultheis vnd rats dorumb vorbehalten. Sunder ein iglicher schulmeister soll sich an seinen kinden, die im auß eigner bewegung der eldtern oder freunden zugeschickt werden, genügen lassen, derselben mit gantzem fleis warten, sie getrewlichen an lernung vnd zucht vnterweisen, bey welchem dann das erberlich vnd redlich zu thun empfunden wirt, dem werden dest mehr kinder zubracht nvd [sic!] zugefurdert.
Ein iglicher schulmeister vnd schulfrawe sullen keinem schulkinde verhengen, gestatten, vil mynner daran weisen, auf ein male in der schul mer anzuwerden dann einen heller vmb ein lößlein, ob es wil, vnd kein gelt wenig oder vil vm leckuchen, nuß, pirn ander obs oder genesch zu uerthwen in keine weis. Sie sullen auch sich oder andere ire kinder mit nichte dazu reissen, schympflichen oder andere weiß anregen, noch in gestatten gelt oder gelts werde do heymen in eynche weiß abzutragen, in zu libnus zu badegeld oder lusum zugeben, zuzubringen, noch von in zu nehmen, auch mit den kinden noch die kinder allein keinerleye zerung an wein, pier, eyer im schmaltz, kuchlein oder gesotens, gebratens oder ander speis in der schule noch sunst in irer samnung zu handeln, zu treiben noch zu gestatten heymlich oder öffenlich wider vnd on der eldtern wissen vnd willen, die creutzwochen außgenommen. Welcher schulmeister oder schulfrawe der eins oder mehr durch sich oder andere geton schickt oder bestelt, dem sol die schul nydergelegt fürbaß zuhalten verboten vnd do zu swerlich gepußt und gestraft werden nach des schultheisen vnd rats erkentnus.
Die schulmeister vnd schulfrawen sullen ire kinder nicht außschicken, holtz zu klauben, eisen oder anders in den gassen an den wegen oder in dem wasser zu suchen, noch sulchs [?] oder ob ir eins furgebe, es hett das oder iehens do heymen oder auf der gassen funden, der keins von  in eynnemen, sunder alle sulche vnd gefundene stuck iren eldtern heymschicken vnd sunst nyrgent hynkumen lassen bey puss vnd straff obgemelt. Danach wiss sich ir iglichs zu halten vor schaden zu verhuten. Geben am dinstag nach sant Jörgen tag nach Christi vnseres lieben herren gepurt tausent vierhundert vnd in dem eynundzwanzigsten jare.

Anmerkungen von Johannes Müller:
Aus der „Handwerksordnung“ der Stadt Bamberg vom Jahre 1490 ff. Bl. XL f. Das Original scheint verloren zu sein; ich habe es wenigstens weder im Kgl. Kreisarchiv noch im Stadtarchive noch in der Kgl. Bibliothek zu Bamberg erlangen können. Obiger Abdruck ist entnommen den „Bayerischen Annalen“ Nr. 147 v. 9. Dezember 1834, Blatt für Vaterlandskunde S. 2102 f. Nach der dort von G. Th. Rudhart beigefügten Schlußbemerkung wurde obige Ordnung, wie eine auf dieselbe folgende Schrift berichte, von einigen Schulmeistern und Schulfrauen „in etlichen Stukken überfahren“, und darum vom Rate der Stadt beschlossen, daß künftig jeder Schulmeister sich beim Rate zu melden, um die Erlaubnis zum Schulhalten nachsuchen und die vorstehende Ordnung zu Gott und seinen Heiligen beschwören solle. Bis zum Jahre 1550 sei dann die Ordnung von den verschiedenen deutschen Schulmeistern in Bamberg, wie Bl. XLIb der Handwerksordnung beweise, beschworen worden. - Näheres über die Gesch. der deutschen Schulen in Bamberg bis zum 16. Jahrhundert ist nicht bekannt. Vergl. aber die Bemerkungen zur nächstfolgenden Ordnung.

Digitalisierung des Textes: Leonhard Möckl (KHG Bamberg, 9 b, 2003-2004)

Quelle:

MÜLLER, J.: Ordnung für die deutschen Schulmeister und Schulfrauen zu Bamberg vom 25. April 1491: Wie es die teutschen Schulmeister halten sollen. In: Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schulverträge in deutscher und niederländischer Sprache. I. Abteilung: Schulordnungen etc. aus den Jahren 1296-1505. Zschopau: Raschke, 1885; S. 108-110.                                                             


Ordnung für die Domchorschüler zu Bamberg vom 14. Oktober 1491  
Vorbemerkung: Für den 1192 gegründeten Bamberger Domchor gab es eine Stiftung über 15 rheinische Gulden, womit man zu ewigen zeitten nicht mehr als zehn Chorschüler verköstigen könne. Jeden Samstag sollten sich die Schüler zu der ersten koreglockenn im Domkreuzgang versammeln. Verspätung wurde mit einer Strafe von zwei Pfennig geahndet. Das Geld wurde gesammelt, um schließlich davon ein Kerzenopfer darbringen zu können. Die Ordnung richtet sich gegen die Unsitte, Dienste der Chorschüler während der Chorstunde - weil man plegt zu singen horas canonicas - in Anspruch zu nehmen; der Gottesdienst hat Vorrang.

Auff heut freytag decimam quartam octobris de anno etc. nonagesimo primo, habenn mein gnedige herrn vom capitel, der chorschuler vnnd funffczehenn gullden reinischer gullt halben, so denselben chorschulernn, vonn etlichenn testamenten ubergeben sein, nachuolgende ordenunge gemacht vnnd meynunge capitulariter beschlossen. Das nun hinfuro zu ewigen zeittenn nit mer dan zehen redlich vociferirt *) chorschuler auff dem chore gehalltenn werdenn. Dieselben zehen chorschuler solen nüfuran zu ewigenn zeiten alle sambstage  vber das ganntz jare das placebo vor dem kernther jm creutzgang, so man in das capitelhawse oder newe begrebniß geen will, jn beywesen eines vicariers, der ye zu zeittenn durch einen dechannt, oder in abwesen, eines seniors, dartzu gegeben wurdet, sprechen, welcher vicarier alspald nach gesprochem placebo alwegen lesen soll die zwo collectenn, als deus cuius misericordie non est numerus etc. vnnd fidelium deus omnium conditor etc. die sich dan alle priester vnnd korschuler an bemeltem ende, auff einen iglichen sambstage, zu der ersten koreglockenn, die man zu der vesper zu leutten pfligt, finden sollenn. Welcher aber von bemellten personen an berurttem ende, auff zeit vnnd leutten, wie angezeigt, nit entgegen ist, der soll alle male vmb zwen pfennig gepust die dan deponirt, vnnd darumb allen glaubigen selen zu nutz vnnd seligkeyt wachs erkaufft vnnd an bemelltem ende geprent werden soll.

Item ob bemellter zehen koreschuler soll keiner von succentore on besonder laub, willen, wissenn vnnd gunst eines obirsten sanckmeisters oder eines herrnn jm capitel, dem das von einem obirsten sanckmeister beuolhen wurdet, nymmermere entsetzt noch auffgenomen, noch auch in keiner wiße die weil man plegt zu singen horas canonicas, vonn jne nymmer genützt noch aus dem chore gesanndt werdenn. des gleichen soll kein chorschuler enichem herrenn, were der sey, so der aus dem chore will geen, nit ferner dan biß zu der thure desselben chors noch geen, vnnd sich dann widerwenden vnnd geen zu dem pulpet zu singen wieuor, auff das gottis dinst vnnd ziere jn [?] des chores nit geschwendt werde.

So sein sunst erkaufft vnnd auff nachuolgende meynunge zugebrauchen ubergeben worden drey gulldein reinisch jerlicher vnnd ewiger gullt, die sollen zu der historien sanctj Benedictj also ausgegeben werden als einen gullden zu dem responsorio Cum adisset causa religionis etc. de sancto Heinrico. das do wurdet das sechst responsorium, vnnd den andern gullden zu der messe sanctj Benedictj. der drit gulldein soll dem vicarier gegeben werden fur sein muhe, der do list die collecten alle sambstag nach dem placebo durch die chorschuler bey dem kernther geprahenn.


*) Weber S. 43   in s. Auszug aus der obigen Ordnung liest: waserirt und vermutet, das maserirt zu lesen sei, was er mit maz = Speise, volle Beköstigung in Verbindung zu bringen sucht.
Nach oben
Anmerkungen von Johannes Müller:
Aus dem im Kgl. bayr. Kreisarchive Bamberg aufbewahrten Codex des früheren Domkapitels Bamberg Nr. 30 Bl. 115 b und 116. - Vergl. Heinr. Weber, Gesch. der Gelehrtenschulen im Hochstift Bamberg von 1007-1803. 1. Abteilung Bamberg 1880 (im 42. Bericht über Bestand und Wirken des historischen Vereins zu Bamberg im Jahre 1879), S. 43 f. - Die Schule des Domstifts zu Bamberg dürfte kurz nach der im Jahre 1007 erfolgten Gründung des Bistums Bamberg durch Kaiser Heinrich II. ins Leben getreten sein. Erster Scholastikus war Durand, der aus der Schule zu Lüttich hervorgegangen war und bis 1021 die Bamberger Domschule leitete. In einer Urk. von 1024 oder 1025 erscheint dann Rukier als „magister scholarum“. In derselben Urk. zeichnet Egilbertus apud St. Stephanum (d. i. bei dem 1009 von der h. Kunegundis gegründeten Stift St. Stephan zu Bamberg) magister scholarum. Um die gleiche Zeit soll das im J. 1008 gegründete Benediktinerkloster zum h. Michael auch schon eine Schule gehabt haben; 1257 erscheint daselbst ein procurator puerorum und 1312 ein Rudolphus rector scolarium. Weber a. a. O. S. 3, 9 f., 51. Im Stift zu St. Jakob finden wir zuerst 1290 einen Scholaster Heinrich (Weber S. 54) und 1365 (den 18. Ocktober) einen Schulmeister Hermann (Monumenta Zollerana IV. Bd., Berlin 1858, S. 73). Zu St. Gangolph (Kirche in der Vorstadt „Teuerstat“) begegnen wir in einer Urk. vom 13. Mai 1285 einem (nicht namentlich angeführten) Scholastikus; am 21. März 1290 erscheint Hugo rector scolarum S. Gangolfi, d. i. der bekannte Dichter des „Renner“, Hugo von Trimberg, der 1300 beim Abschluß dieses seines deutschen Lehrgedichtes von sich sagt: der dicz buch getihtet hat, Der pflac der schul ze turstat Wol vierzic jar vor Babenberch. Weber S. 55 f. - Die Domschule war bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts berühmt und besucht. Weber S. 11 und 21. Um 1190 errichtete Bischof Otto II. die Kantorei als eigenes Stiftsamt. Doch wurde das Amt des Domsängers oder Sangmeisters bald wie das des Scholastikus eine Nebenpfründe, und seine eigentliche Aufgabe ging auf einen besoldeten Laien, den Kantor, über, der dann ebenfalls mit dem besoldeten Rector scholarium in der Schule thätig war. Weber S. 40 f. Unter dem Domdechant Anton von Rotenhan (um 1421) wurden für den Chordienst Statuten in lateinischer Sprache aufgestellt (Hdschr. des früheren Domkapitels Nr. 30 Bl. 114 im Kgl. Kreisarchiv zu Bamberg), mit welchen die obigen deutschen sich z. T. berühren. - Weiteres über die Gesch. der Bamberger Gelehrtenschulen bei Weber.

Digitalisierung des Textes: Leonhard Möckl (KHG Bamberg, 9 b, 2003-2004)

Quelle:

MÜLLER, J.: Ordnung für die Domchorschüler zu Bamberg vom 14. Oktober 1491. In: Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schulverträge in deutscher und niederländischer Sprache. I. Abteilung: Schulordnungen etc. aus den Jahren 1296-1505. Zschopau: Raschke, 1885; S. 111-112.

Zurück