Johann Christoph Neustetter-Stürmer
Johann Christoph Neustetter-Stürmer (1570-1638)  
Im südlichen Querhaus [des Bamberger Domes] unmittelbar neben dem Epitaph des Fürstbischofs Georg Fuchs von Rügheim befindet sich das Grabmal für Johann Christoph Neustetter-Stürmer. Dieses war ursprünglich an der Westwand angebracht, wurde aber um 1651 wegen der Errichtung eines Altars an die Südwand versetzt. Dies belegt ein Abrechnungszettel des Kapitels-Schreiners Hans Schmidt: "3 fl. von Ihrer Hochehrw(ürden) vnd Gn(aden) des alten Herrn Dombprobstens Neustätters Epitaphio abzubrechn vnd wieder vfzurichten." [1]
Das Epitaph zeigt keine Darstellung des Verstorbenen, sondern dessen Wappen.
Epitaph: Neustetter-Stürmer
Die Inschrift lautet wie folgt:
Epitaphinschrift Neustetter-Stürmer
Ohne Abkürzungen:
Admodum reverendus dominus ac praenobilis dominus
dominus Joannes Christophorus Neustetter Sturmer dictus
huius ecclesiae praepositus ac senior,
metropolitanae Moguntinae custos,
cathedralis Herbipolensis senior & iubilaeus
quatuor imperatorum consiliarius,
familiae suae ultimus.
Natus anno MDLXX -
obiit anno MDCXXXIIX IX Novembris
cuius anima deo vivat.
Generatio praeterit &
generatio advenit.
Ecclesiastes capitulum I versus 4.
Epitaph Neustetter-Stürmer (Inschrift)
Der überaus hochwürdige und hochedle Herr, Herr Johann Christoph Neustetter, genannt Stürmer, Dompropst und Senior dieser Kirche, Custos der Metropolitankirche von Mainz, Senior und Jubelpriester der Kathedrale von Würzburg, Ratgeber vierer Kaiser und der letzte seines Geschlechtes, geboren im jahre 1570, ist im Jahre 1638 am 9. November gestorben. Seine Seele lebe in Gott!
Ein Geschlecht geht dahin, und ein anderes kommt.  
Johann Christoph Neustetter, der neben den genannten Ämtern noch einige andere mehr innehatte, war Gelehrter und besaß eine sehr bedeutende Kunstsammlung. Das Engagement, mit dem er als Dompropst, d. h. erster Dignitar des Domkapitels, wirkte, zeigt sich deutlich am Vorgehen gegenüber den Erben des Domkantors Sebastian Schenk von Stauffenberg. Da Neustetter, wie dem Epitaph zu entnehmen ist, keine Angehörigen mehr hatte - sein Bruder Georg, Domscholaster, war 1628 verschieden [2] -, starb er, ohne ein Testament gemacht zu haben. Sein riesiges Vermögen fiel so dem Bischof Franz von Hatzfeld (1633-1642) zu [3], der als Gegenleistung versprach, einen Altar für Neustetter zu stiften. [4] Dies geschah erst 1651 - mit dem heute nicht mehr vorhandenen Großen Marienaltar [5], der das Epitaph von seinem ursprünglichen Standort verdrängte. "Der Dom als Begräbnisstätte war bis ins ausgehende 16. Jahrhundert den Bischöfen vorbehalten." [6] Bei Neustetter machte das Kapitel eine Ausnahme da "Ire Fürst(liche) G(naden) auch dem abgelebten Herrn ein Altar ufzurichten vorhabens." [7]  
Die Grabinschrift besteht aus sehr sauber in den hellen Sandstein eingravierten Großbuchstaben, die eine auffallende Rechtsneigung zeigen. Im Kontrast dazu steht die flüssige Kursivschrift des Verses, der dem Buch Ecclesiastes - heute Buch Kohelet genannt - entnommen ist. In räumlicher Nähe des Totenschädels erinnert er an die Vergänglichkeit des Menschen. Offenbar hat auch die Tatsache, daß Neustetter "der letzte seines Geschlechts" [8] war, bei der Auswahl des Verses eine entscheidende Rolle gespielt.
Die zahlreichen Abbreviationen sind uneinheitlich und entweder durch Punkte bzw. Balken oder gar nicht kenntnlich gemacht. Die kleinbuchstabigen Einfügungen (dns, dictus, ac) erwecken den Eindruck, als seien sie vom Künstler nachträglich vorgenommen worden. Ausgerechnet beim Namen des Verstorbenen scheint er kurzfristig die Übersicht über das Geschriebene verloren zu haben, weswegen der Betrachter den Namen des Dompropstes verstümmelt zu lesen bekommt.

Anmerkungen:  
[1]
BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN, R.: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart. Bamberg: Bayerische Verlagsanstalt, 1987; S. 173.
[2]
BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN, R.: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart. Bamberg: Bayerische Verlagsanstalt, 1987; S. 97.
[3]
BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN, R.: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart. Bamberg: Bayerische Verlagsanstalt, 1987; S. 100.
[4]
BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN, R.: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart. Bamberg: Bayerische Verlagsanstalt, 1987; S. 172.  
[5]
BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN, R.: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart. Bamberg: Bayerische Verlagsanstalt, 1987; S. 171 ff.
[6]
BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN, R.: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart. Bamberg: Bayerische Verlagsanstalt, 1987; S. 109.
[7]
BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN, R.: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart. Bamberg: Bayerische Verlagsanstalt, 1987; S. 109.  
[8]
Anm. d. Red.: Die Tatsache, dass mit Johann Christoph Neustetter-Stürmer als letztem männlichen Nachkommen das Geschlecht der Neunstetter ausgestorben ist, wird auch heraldisch durch das gestürzte Wappen zum Ausdruck gebracht; das Wappen wird schräg, nicht aufrecht ausgerichtet:
Neustetter-Stürmer: gestürztes Wappen



Quelle:
WALZ, F.: Ausgewählte lateinische Inschriften im Bamberger Dom. (Unveröffentlichte Facharbeit im Fach Latein). Bamberg: Kaiser-Heinrich-Gymnasium, 1998; S. 14-16.