Hexenverhör
Hexenverhör des 14-jährigen Daniel Bittl aus Bamberg
Vorbemerkung:

Unter der Regierung von Fürstbischof Johann Georg II. Fuchs Freiherr von Dornheim (1623-1633) nahm der Hexenwahn im Fürstbistum Bamberg bedrohliche Ausmaße an: Unterstützt von Weihbischof Friedrich Förner (1612-1630) ließ er 1627 ein Drudenhaus (Malefizhaus, Hexengefängnis) für über 30 Gefangene (!) bauen. Das Gebäude befand sich auf dem heutigen Grundstück Franz-Ludwig-Straße 7. Unter Dornheim fanden etwa 300 Menschen allein in Bamberg und weitere 900 Menschen im übrigen Hochstift den Tod auf dem Scheiterhaufen. Selbst hochgestellte Amtsträger wie der Bürgermeister Johannes Junius und der bischöfliche Kanzler Dr. Georg Haan, ein Kritiker der Prozesse, wurden hingerichtet. Erst durch massives Eingreifen von Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) konnte der Wahnsinn gemildert werden. Beim Herannahen der Schweden im Jahr 1632 entließ man schließlich die letzten 10 Inhaftierten, nicht ohne sie schwören zu lassen, über die Behandlung (Folter) während der Haft zu schweigen. Der Bau wurde bald abgerissen; Steine fanden 1654 beim Bau des Kapuzinerklosters Verwendung. - Der Bischof starb 1633 fernab vom Kriegsgeschehen im oberösterreichischen Exil in Spital am Pyrhn.

Die nachfolgende Prozessakte gibt das Protokoll des Hexenverhörs gegen den 14-jährigen Daniel Bittl aus Bamberg wieder, das im Staatsarchiv Bamberg (HV Rep. 2, Nr. 507) aufbewahrt wird; Orthographie und Interpunktion folgen dem Original.

Das Protokoll zeigt folgende Gliederung:
1. Personalia
2. gütliche Befragung:

Bei der gütlichen Befragung muss sich der Beschuldigte dem Vorwurf der Hexerei stellen. Da er sich keiner Schuld bewusst ist, leugnet er alles.

3. peinliche Befragung:

Unter Folter ("Pein" = Schmerz) wird ein Geständnis erpresst. Der Jugendliche Daniel Bittl hat mit 14 Jahren die Foltermündigkeit erreicht und muss sich den Qualen des Daumenstocks und der Beinschraube („nur ein wenig“) unterziehen.

4. "Geständnis":
a) Hexenbekenntnis:

Die Folter führt zwangsläufig zur „Wahrheitsfindung“: Der Beschuldigte gibt zu, ein „Drütner“ (Drudner, Hexer) zu sein.

b) Vergehen des Inzests:

Als eigentliches Vergehen nennt der Angeklagte ein Inzestdelikt mit seiner damals 8-jährigen Schwester Rosina. Ob dieses Vergehen tatsächlich stattgefunden hat, kann nicht mehr ermittelt werden.

c) Teufelsbuhlschaft:

Typisches Kennzeichen der Hexen ist nach Ansicht der Hexenkommissäre die Teufelsbuhlschaft, der Geschlechtsverkehr mit dem Teufel.  So ist es zwangsläufig, dass sie aus dem Beschuldigten herauspressen, seine Schwester sei „Eyßkallt“ gewesen und habe sich „in ein heßliche gestallt verendtert“ - mit einem Drachenkörper und „klaperte hendt“.

d) Pakt mit dem Teufel und Teufelstaufe:

Der Angeklagte muss „Gott und allen Heiligen absagen“ und verspricht sich nun dem Teufel. Dieses „Bündnis“ wird durch die Taufe „ins  teüfelsnahmen“ besiegelt. Als Patin („Todt“) nennt er eine verstorbene Bekannte („Steffan Kaÿsers vörige Frau“). Unter den "Taufzeugen" sollen sich auch zwei Familienmitglieder befunden haben. Die Bemerkung „Mutter & Schwester so verbrennt“ lässt den Schluss zu, dass beide bereits als Hexen hingerichtet worden sind.

e) Hexenritt und Teufelstanz:

Unter dem Arm seiner Hexengemahlin wird der Delinquent auf dem Weg durch die Luft „alß wie ein windt“ zu den monatlichen Hexentreffen („Hexensabbat“) transportiert. Als Treffpunkte werden der Mühlwörth, die Obere und Untere Brücke, der 1805 abgebrochene Viereimerbrunnen (am Obstmarkt) sowie das nicht lokalisierbare schwarze Kreuz genannt.

5. Mittäter:

In mindestens zwei Sitzungen wird nach den Namen von weiteren Hexen geforscht. Daniel Bittl nennt mindestens 55 Personen (36 weiblich, 19 männlich), die nun ihrerseits mit einer Vorladung vor das Hexentribunal rechnen müssen.

6. Urteil und Hinrichtung:

Das Protokoll endet abrupt, doch ist die Verurteilung zum Tod auf dem Scheiterhaufen die zwingende Konsequenz aus dem Geständnis.


------------------------------------------------
Transkription der Prozessakte:
Bußßag
Daniel Bittel Ledigstandts
allhier in Bamberg, æt: 14.
Ingrossirt.
præsentibus deputatis

Freÿtag den 11 Maÿ Ao. 1629 ist Daniel Bittel allhier 14 Jahr alt wegen bezichtigter Hexereÿ in der güete Examinirt worden. wie lang es seÿ und was gestalt Er in dieses leidige laster gerathen, und durch weme Er verführt worden, der will gantz nichts gestehen, könne und wisse nichts, Es seÿ Ihme vielmahl vor gehallten wordten, das Er in diesem laster vorher, undt da deme also, wolte Er sich uff des d[es] Brauns und d[es] Herren Commissarien  Zurede eingestelt haben, Ist Ihme uff vorhergehenkte Andeütung der Indicien Dilation geben worden.

Alß man Ihme nach verflossenen Dilation wider bepracht, hat imen alß den andteren wege die güete nichts verfangen, sondtern sich mit längerer entschuldtigung wöllen, derentwegen die scherpffte gegen Ihme vorgenohmen worden,

Daumenstocks Sagt Er seÿe Aein Drütner, allein sonste seÿe Er ein großer Sündter, und sondterlich habe Er an seiner Schwester Rosina so ungefehr 8 Jahr die Ungebühr begehrt, will weitres mit der Sprach nicht herausen Ruffet Gott zur Zeügen an, es geschehe Ihme Unrecht, vemaine weil Er solche Sündt nit gebeichtet, habe Ihme der böse Geist wohl repraesentiren können,

Bainschrauben, nur ein wenig, schreÿt man solle umb Jüngsten Gerichts willen aufmachen, Er wolle alles bekennen, Ist geschehen, darauff Er bekent, Es werdte baldt 3 Jahr werden das Er den incestum mit seiner Schwester getrieben, alß er sich nur hernacher einsten mit Ihr verglichen, in der Wohnstuben damahls seine Eltern uff einer Hochzeit geweßen und sich die anderen ... schlaffen gelegt, Zusammen zu kömmen, und Sager Ihrer gewarttet, wehre die gestalt seiner Schwester kommen, auch andtreß nicht vermaint, und da machts actum carnalem mit Ihr Execirt, welches alles Eyßkallt gewest in deme er nun solches vollbracht hette sich solche Persohn in ein heßliche gestallt verendtert, und einen Drachenkörpper, auch klaperte hendt bekömmen, darüber Er sehr erschrocken, und an Sager begehrt sein zu sein, Er solle alles genug von Ihme haben, Er müsse aber auch Gott und allen Heiligen absagen, das habe Er nicht thuen wollen, darauf Er Ihme getroht, wann er es nicht thue, wolle Er Ihme den Halß umbtrehen und umb das leben bringen, darein Er uff solches trohliches Zureden gewilligt, Gott und seinen Heiligen abgesagt, und hingegen sich Ihme versprochen, alß dann Er Ihm vertröstet, Sie wollten baldt widerumb zusahmen kömmen und lustig seyn,

Des andteren Tags wehre seine Puhlin wieder kömmen, und Ihne mit zu der alten Häcksin genohmmen, alda Er aber in einer Cammern, uff der Häcksin und andteren Zurede andters alß ins teüfelsnahmen getaufft: und S. V. Scharr im Arsch genent wordten, Sie hette Saugenfirstin geheißen, die Häcksin habe das wasser Über Ihne gossen, darbeÿ gewesen, Steffan Kaÿsers vörige Frau, alß die Todt, sein Mutter & Schwester so verbrent, und Freüelein Seidlerin Fischerin solche Persohnen hetten Ihme nach der Thauf  glückh ins teufelsnahmen gewünscht, Er hette recht unnd wohl daran gethan, darauff Sie getantzet gessen und getrunken, Hernacher habe Er fast Monatlich 3 mahl mit seiner Puhlin und Häcksin zunacht zwischen 11 und 12 Uhr außfahren müssen habe Ihne undter den Armb genohmmen,  wehre dahin gangen alß wie ein windt, Alß in das Mühlwehrdt vor einem Jahr uff der oberen brückhen Item vor einem halben Jahr oder nit solange uff den unteren brückhen unnd vielmahl beÿ dem schwartzen Creütz Mehr beÿ dem 4. Aÿmerbronnen, vor einem halben Jahr und ungefehr 6. wochen habe Er Leibhafftig beim schwartzen Creütz gesehen, Meigel Zerrerin, Albert Richter und sein Frau, d[ie] Vasoldtin, Einhendtlerin, Caspar Barbirer, Barthol Brauer, Hannß Braun, Hannß Fleischmann, in der langgaß, d[ie] Hornungin vor 3. wochen, Daniel Baÿer Ursl Hofmeisterin, Catharina Häcksin, Edelwehrin, Remigestentochter, Maria Dietmaÿerin, Martha Marrin, Babel Rosin, und Ihr Schwester Ursl, Dümler, Doctor Breünin im Abtswehr, Schreiberin in des Rehmbs Hauß in der Aue, Wolff Hofmeistern Lorentz Hülß und seinen Sohn Christoff Hannß Philip Lorbers Frau Ursl Maria Haanin vor ½ Jahr, Cathera Hofmeisterin, vor 14 oder 16 wochen Susanna Mertzin vor ¼ Jahr Schlüßlin im Sand, Schlüßlin im Breürhaus, wisse uff daß mahl niemand mehr, woll sich bedenkhen, ist Ihme auch bedenkhzeit geben worden.

Alß man ihn befragt, warumb Er im Anfang des Examens so felschlich Gott zum Zeügnuß angeruffen, das Ihme Unrecht geschehe, und nicht Ordnung wollen, Sagt, es seÿe fast die gantze Zeit der böeste Feindt, in den Examinis Stuben beÿ dem Ofen gestandtn, Sagern getroht, nichts Zu bekennen, Er wolle Ihme schon helffen, seÿe auch zuvor beÿ Ihme in den Verlass gewest.

Mehr habe Er beim schwarzen Creütz gesehen, Hannß Büntzner Barbirers Frau, Bebrg (?) Cribels Frau, Jacob Neüdekhers Frau Lamprechts Magdel, Vogt Uffin Mönchsberg, Heinrich Wentzel Hannß Eichelsberger, Martin Röhmb, Endres Schmidt, der alte Rentmeister, an gespihlschafften wisse Er dißmahls niemandts mehr, Wann mann die H. Hostien hat dennirt, so habe Er Uff dieselbe ausspeÿen müssen, Und wann Er Communicirt hette Er die H. Hostien Zerkeüert Unndt außgespeÿet, Beÿ dem Schwartzen Creütz hette Er Unndt die Anwesendten, dem böesten Geist verheissen müssen, das Sie beÿ Ihme verbleiben wöllen Er solle sein Vertrauen nur auf ihn setzen, Dieses laster habe Er niemahls beichten dörffen, Undt seÿe dieses alles was Er außgesagt die Pur lautere warheit, wöll darauf leben und sterben.

præsentibus deputatis

Dienstags den 22. Maÿ 1629 ist dieser Verhaffte in der güete lang Examinirt worden, der sagt weiteres habe Er mit leiblichen Augen beÿ solchen teüfelischen Dentzen nächtlicher weil gesehen Hannß Adam Bachen, Geörgen Schreiber Uff der Waag, Wolffen Reüther Waagmeister, Carl Lienhardt Haan, Caspar Röeßlein, Schuesterin neben dem Röeßlein Engelblettin genandt, des vördteren Schusters weib beÿ der Unteren bruckhen gegen dem Prediger Closter, Veit Pogner, Bader Uffm Heüemarkth Ferberin in Zinkhenwehrdt, so ein kleines freüelein, Messerschmidt beÿ St: Märtin, die zweÿ außgerissene Kauern, Kärtzlerin Gärttnereÿ, Kupfferschmidin beÿ St: Martin, Kärbs in der Judengassen, der geweßene V... beÿ der hingerichteten teüfelschmiedtin Saurren Meigel, so hinkhen thuet in der langgaß, Beckhin neben dem Junio, Geörg und Magdel Pittlin, das letzte mahl vorf ungefehr 5 Monathen, heübelmacherin uff der oberen Prückhen, Wolff Pütner in der Aue, Wirthin beÿ den dreÿen Mohren, dieses alles seÿe die Pure lautere w...ie (?) ungefälschte mainung, welches Er auch hernacher Peinlich ratifizirt,

(Der Text endet hier)
(c) Johannes Otto Först (2004)

Quellen:

a) Handschrift:

Stadtarchiv Bamberg, HV Rep. 2, Nr. 507: Criminal-Verhöre gegen Hexen zu Bamberg und anderen Orten des Hochstifts (1627, 1628, 1629).

b) Weitere Informationen:

BAIER, R.: Johann Georg II. Fuchs Freiherr von Dornheim, Fürstbischof von Bamberg. In: Biographisch-bibliographisches Bibellexikon. Band XXIV (2005) Spalten 535-541. Nordhausen: Traugott Bautz, 2005.

URL: http://www.bautz.de/bbkl/d/dornheim_j_g.shtml (01.04.2005)

BREUER, T.: Abgegangenes Malefizhaus (Hexengefängnis). In: BREUER, T. u. GUTBIER, R.: Die Kunstdenkmäler von Oberfranken, Stadt Bamberg, Innere Inselstadt. 2 Halbbände. Bamberg: Bayer. Verlagsanstalt, 1990; S. 244-246.

GEHM, B.: Hexen im Hochstift Bamberg. In: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004].

URL: http://www.zeitenblicke.historicum.net/2004/03/gehm (01.04.2005)

HOFFKNECHT, S.: 24. Juli 1628 - Der “Drudner” Johannes Junius schreibt seinen letzten Brief.

URL: http://www.bezirk-oberfranken.de/menueseiten/kultur/geschichte/Mosaik/1628_24-07.htm (01.04.2005)